Dies Domini – Dritter Fastensonntag, Lesejahr B
Das Evangelium dieser Woche steht in deutlichem Gegensatz zu dem oftmals vorherrschenden „weichgespülten“ Jesusbild. Er rastet aus und treibt zornig alle Händler aus dem Tempel, schüttet das Geld der Wechsler aus und stößt die Tische um:
„Macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle“ (Joh 2,16).
Kein „könnten Sie vielleicht eventuell demnächst mal ihre Sachen zusammenpacken und den Tempel verlassen“, kein freundliches Nachfragen, kein erstmal vorsichtiges Betrachten einer üblichen Verfahrensweise rund um den Opferkult im Tempel, sondern offensichtlich überschreitet dieses (damals vollkommen „normale“) Handelstreiben im Tempel (bzw. eher in dessen Vorhof) eine Grenze, die für Jesus nicht mehr diskutierbar ist. Hier kann nicht mehr gemeinsam nach einer Lösung gesucht werden, sondern es gibt für Jesus nur einen möglichen Weg: der Tempel und sein Vorhof müssen ausschließlich dem Gebet gewidmet sein und das geht nur ohne Händler und Wechsler. Ein Ort des Gebetes für Juden und Heiden (denn diese durften nur in den Vorhof), auch offen für die, die sich am Tempelkult aus finanziellen Gründen nicht beteiligen konnten wollte Jesus damit wohl ermöglichen im Heiligtum seines Vaters.
Gibt es eigentlich auch für uns diese „roten Linien“? Gibt es Themen bei denen wir uns nicht versuchen dem gesellschaftlichen Mainstream anzupassen, sondern zu unserer christlichen Überzeugung zu stehen?
In Debatten, die in verschiedenen Facetten das menschliche Leben, besonders den Beginn des Lebens – auch angestoßen durch den Antrag in der vergangenen Woche im Bundestag den §219a abzuschaffen – im Blick haben, kommt man immer wieder an den Punkt, dass es da eigentlich eine unumstößliche Grenze gibt. Da den Mut zu beweisen bei seiner Überzeugung zu bleiben, dass das menschliche Leben vom ersten Augenblick an absolut schützenswert ist, ist nicht immer einfach, aber dennoch sehr lohnend. Auch wenn der Vorwurf dann immer wieder lautet, die Selbstbestimmung der Frau nicht ernst zu nehmen, wenn man Abtreibungen erschwert oder verbietet. Dabei wird aber eben aus dem Blick verloren, dass an die Selbstbestimmungen desjenigen, der sein Recht – und zwar sein elementarstes, nämlich das auf Leben – noch nicht selbst einfordern kann, kein Gedanke mehr verschwendet wird.
Wenn da die gleiche Person im Bundestag den Antrag einbringt den §219a, der das öffentliche „bewerben“ z.B. auf der Internetseite eines Arztes von Abtreibungen bislang verbietet, abzuschaffen, einige Tage später bei Facebook das Titelbild ändert in den Spruch: Art.1 GG „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, darf man das wohl als leicht widersprüchlich betrachten. Hier die rote Linie dessen was nicht verhandelbar ist, nämlich JEDES Leben, ob es nun 2 Tage im Bauch der Mutter, eine Woche auf der Welt oder schon 100 Jahre alt ist, ist unbedingt schützenswert, aufzuzeigen, ist keine angenehme, aber für den würdevollen und christlichen Umgang miteinander in unserer Gesellschaft unabdingbare „Pflicht“.
Viel zu oft erliegen wir als einzelne, aber auch als Gesamtkirche der Versuchung unsere tiefsten Überzeugungen nicht mehr zu vertreten, sondern dem Zeitgeist anzupassen, was zu einer Verwässerung dessen führt, was uns eigentlich im Kern trägt.
Das soll nicht missverstanden werden: dass wir Jesu Botschaft in die heutige Zeit übersetzen ist nicht nur „in Ordnung“, sondern unbedingt nötig. Natürlich müssen wir die Fragen, die die Menschen uns heute stellen, beantworten, in einer Sprache, die verständlich ist, die aber inhaltlich trotzdem nichts verliert.
Das ist sicher eine große Herausforderung, aber nur, wenn wir gesprächsbereit sind und bleiben und mit Überzeugung für die christliche Botschaft eintreten, können wir Glaubwürdigkeit beanspruchen. So ist auch für uns, wenn wir theologische oder auch gesellschaftspolitische Artikel und Statements veröffentlichen, die „Meinungsäußerung“ mit der Veröffentlichung nicht abgeschlossen, sondern oftmals beginnt der Diskurs dann erst, wenn sich Pro- und Contra-Kommentare ergeben, wenn wir Nachfragen, Anregungen oder Kritik an dem geäußerten bekommen. Dieser Auftrag gilt aber nicht nur den „Verantwortlichen“ in der Pastoral, sondern jeder und jedem von uns, in seinem Alltag als Christ erlebbar zu sein. Nicht nur durch fromme Sprüche, sondern durch wirklich gelebtes Christsein. Eine Handreichung zum „Christsein im Alltag“ bieten nach wie vor selbstverständlich die zehn Gebote, die auch an diesem Sonntag wieder als Lesung vorgesehen sind und über die vor einigen Monaten an dieser Stelle schon ausführlich nachgedacht worden ist.
Richten wir unser Leben und unser alltägliches Handeln doch – auch in dieser Vorbereitungszeit auf das große Hochfest unseres Glaubens in einigen Wochen, die Niederreißung des Tempels und seine Auferbauung nach drei Tagen:
„Reißt diesen Tempel nieder, in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten. Da sagten die Juden: Sechsundvierzig Jahre wurde an diesem Tempel gebaut und du willst ihn in drei Tagen wieder aufrichten? Er aber meinte den Tempel seines Leibes.“ (Joh 2,19ff.)
– immer wieder neu an diesen Geboten aus und suchen immer wieder neu das Gleichgewicht zwischen Selbst- und Nächstenliebe, die ihre Quelle in der Gottesliebe hat.
Jesus zeigt uns auf einmalige Weise, wie aus absoluter Schwäche die größtmögliche Stärke erwachsen kann:
„Wir dagegen verkündigen Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit.“ (1 Kor 1,23f.)
Ich wünsche uns für die nächsten Tage viel Überzeugungskraft in unserem Reden, vor allem aber unserem Handeln, haben wir den Mut auch ungemütlich zu sein und aber immer auch Nachsicht mit uns und unseren Mitmenschen, wenn wir den hohen Maßstab des jesuanischen Vorbildes nicht zu erreichen vermögen.
Ihre Katharina Nowak
Author: Katharina Nowak
Katharina Nowak ist Diplom Theologin. Sie studierte in Bonn und arbeitet seit 2009 als theologische Assistentin bei der Katholischen Citykirche Wuppertal.
Danke sehr! 3